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Stockende griechisch-türkische Annäherung

Ernüchterung nach Rückzug Athens aus Nato-Manöver

Der griechisch-türkische Annäherungsprozess ist nach dem Rückzug der griechischen Truppen aus einem gemeinsamen Nato-Manöver in der Türkei ins Stocken geraten. Ursache des Konflikts ist ein Streit um den Luftraum über zwei griechischen Ägäis- Inseln. Athen will trotz harter Kritik der Opposition am Entspannungskurs festhalten.

C. Sr. Athen, Ende Oktober

Alles hatte so hoffnungsvoll begonnen: Erstmals seit der vernichtenden Niederlage der griechischen Armee in Kleinasien 1922 haben griechische Soldaten wieder türkischen Boden betreten. Sechs griechische Kampfflugzeuge landeten auf einem türkischen Luftwaffenstützpunkt, und zwei griechische Fregatten besuchten einen türkischen Hafen. Was sich im Oktober in den ersten Tagen nach dem Beginn des Nato-Manövers “Destined Glory” abspielte, wurde sogleich als Höhepunkt der griechisch-türkischen Entspannungspolitik gefeiert. Diese hatte im vergangenen Sommer nach den schweren Erdbeben in der Türkei und in Griechenland eingesetzt und wird vor allem vom griechischen Aussenminister, Georgios Papandreou, und von seinem türkischen Amtskollegen, Ismail Cem, vorangetrieben.

Streit um zwei Ägäis-Inseln

Doch dann beschloss die Regierung in Athen am 22. Oktober, die griechischen Truppen aus dem gemeinsamen Nato-Manöver zurückzuziehen. Sie warf der Türkei vor, die Übungen zur Durchsetzung territorialer Ansprüche in der Ägäis und zur Unterminierung der Souveränitätsrechte Griechenlands zu missbrauchen. Athen entschloss sich zu diesem Schritt, nachdem sich die Türkei geweigert hatte, den an den Manövern beteiligten griechischen Militärflugzeugen zu gestatten, über die im Osten der Ägäis gelegenen griechischen Inseln Lemnos und Ikaria in den türkischen Luftraum einzudringen. Zuvor hatte Ankara die Nato vor unerwünschten Folgen gewarnt, falls sich die griechischen Flugzeuge nicht an die Anweisung halten sollten. Athen hatte nach offiziellen Angaben vor dem Beginn der Nato-Manöver erklärt, seine Flugzeuge würden den Korridor über den beiden Inseln benützen, denn es handle sich um griechischen Luftraum. Nach der Darstellung Athens hatten türkische Kommandanten die ursprünglichen Manöverpläne der Nato abgeändert und die Korridore über Lemnos und Ikaria aus dem Programm gestrichen.

Die Türkei beruft sich dabei auf den Lausanner Vertrag von 1923. Dieser sieht die Entmilitarisierung einer Reihe von Inseln im Osten der Ägäis vor. Zu ihnen gehören Lemnos und Ikaria. Nach griechischer Ansicht ist aber die in der Vereinbarung festgeschriebene Entmilitarisierung durch den Vertrag von Montreux von 1936 aufgehoben worden, denn in diesem ist davon nicht mehr die Rede. Auch wird in der Präambel festgehalten, dass der Vertrag von Montreux jenen von Lausanne ersetzt. Gestützt wird die griechische Position offenbar auch von der juristischen Abteilung der Nato. Diese hält in einem in der griechischen Presse veröffentlichten Gutachten fest, dass es keine rechtlichen Grundlagen gebe, die eine Sperrung des Luftraums über den beiden Inseln während des Nato-Manövers rechtfertigten. Der Streit zeigt deutlich, wie weit Griechenland und die Türkei von einer Annäherung entfernt sind, sobald es um grundsätzliche politische Differenzen geht. Gewiss ist das Klima viel besser geworden, die menschlichen Kontakte haben sich auf allen Ebenen intensiviert. Hochrangige Politiker kamen zu Gesprächen zusammen. Delegationen wurden ausgetauscht. Seit dem Beginn des Tauwetters sind neun bilaterale Verträge abgeschlossen worden. Sie betreffen vor allem den Tourismus, den Handel, die Umwelt und auch den Kampf gegen den Terrorismus. Die bemerkenswerten Fortschritte bei der Entkrampfung der Beziehungen und beim Abbauen der Spannungen können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich auf politischer Ebene bei der Lösung der wirklichen Knacknüsse, dem Territorialstreit in der Ägäis, der Abgrenzung des Festlandsockels oder in der Zypern-Frage, auch in den letzten Monaten nichts bewegt hat.

Athen und Ankara klammern sich an ihre alten Positionen. Für Griechenland gibt es in der Ägäis nur eine einzige, in den internationalen Verträgen nicht geregelte und deshalb offene Frage, nämlich die Abgrenzung des Festlandsockels. Falls in diesem Punkt keine Einigung erzielt werden könne, solle der Internationale Gerichtshof in Den Haag entscheiden. Bei allen andern türkischen Forderungen in der Ägäis handelt es sich nach Auffassung Athens um ungerechtfertigte territoriale Ansprüche, welche die Souveränität Griechenlands in Frage stellen. Bilaterale Gespräche über solche Themen sind deshalb ausgeschlossen. Wenn die Türkei glaubt, im Recht zu sein, dann solle sie sich, so meint ein Vertreter der griechischen Regierung, an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag wenden.

Nach Ansicht der Türkei gibt es jedoch eine ganze Reihe von bilateralen Problemen in der Ägäis, die eine politische Dimension haben. So ist aus der Sicht Ankaras der Status einiger Inseln in der Ägäis nahe dem türkischen Festland nicht definitiv geregelt. Die Türkei will mit Griechenland über alle in ihrer Sicht offenen Fragen diskutieren. Dies lehnt Athen entschieden ab, denn essieht darin einen Versuch der Türkei, ihre territorialen Forderungen zu legitimieren.

Warten auf Entgegenkommen Ankaras

In Athen ist die Enttäuschung darüber, dass die neue Türkei-Politik nicht die erwünschten Ergebnisse gebracht hat, weit verbreitet. Vertreter derRegierung machen die türkische Seite dafür verantwortlich, dass der Annäherungsprozess ins Stocken geraten ist. Athen habe, so betonen sie, seinen guten Willen gezeigt und grosse Zugeständnisse gemacht, ohne dass sich die andereSeite für das Entgegenkommen erkenntlich gezeigt habe. Als grösste Konzession bezeichnen Regierungsvertreter den Umstand, dass Athen im Dezember 1999 am EU-Gipfel in Helsinki der Aufnahme der Türkei in den Kreis der Anwärter für einen Beitritt zur Europäischen Union zugestimmt habe, obwohl das Nachbarland dazu politisch und wirtschaftlich nicht reif gewesen sei.

Das Abrücken von der früheren Obstruktionspolitik war in der Tat eine bemerkenswerte Kehrtwende. Dahinter stand die Überzeugung der griechischen Regierung, dass eine Entspannung in den Beziehungen zwischen den beiden Ländern sowie langfristige Stabilität in der Region nur auf dem Weg über die Annäherung der Türkei an die Europäische Union zu erreichen sind. Als EU- Kandidatin sei die Türkei verpflichtet, so wird in Athen betont, sich den Prinzipien der Europäischen Union anzupassen und europäische Normen sowie internationales Recht einzuhalten. Die griechische Opposition wirft der Regierung schon seit langem vor, sie sei gegenüber der Türkei, die immer neue Forderungen stelle, zu nachgiebig. Die “sanfte Tour” habe nichts eingebracht. Seit der Zustimmung Athens zur Kandidatur der Türkei habe Ankara keinen bedeutsamen Schritt getan. Auch befürchtet die Opposition, dass die von der Regierung eingeschlagene Strategie der schrittweisen Annäherung schliesslich doch noch zur Aufnahme von Gesprächen über territoriale Fragen und womöglich gar zum Verlust staatlicher Souveränität in der Ägäis führen könnte. Nahrung erhält diese Befürchtung durch eine Stelle im Text der in Helsinki erzielten Vereinbarung über die EU-Kandidatur der Türkei. Darinwerden die beiden Seiten aufgefordert, die “offenen Grenzdispute und andere diesbezügliche Probleme” zu lösen. Falls das “innerhalb einer vernünftigen Zeitspanne” nicht möglich sei, müssten die Fälle vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag gebracht werden. Ankara beruft sich denn auch bei der Forderung nach Verhandlungen über alle offenen Fragen auf diese Passage,die allerdings vage formuliert ist und unterschiedliche Interpretationen zulässt.

Festhalten an der bisherigen Politik

Vertreter der griechischen Regierung betonen die Bereitschaft ihres Landes, auch nach dem jüngsten Rückschlag die bisherige Entspannungspolitik gegenüber Ankara konsequent fortzusetzen und den ohnehin schwierigen Prozess der Annäherung der Türkei an die EU nicht zu behindern. Eine Europäisierung des Nachbarlandes sei auch im Interesse Griechenlands. Der Führer der Nea Dimokratia, der wichtigsten Oppositionspartei, Kostas Karamanlis, fordert hingegen von der Regierung, sie müsse ein für alle Mal klarmachen, was auf dem Spiele stehe, worüber verhandelt werden könne und was niemals Gegenstand von bilateralen Gesprächen sein dürfe. Auch er befürwortet die Aufnahme der Türkei in den Kreis der EU-Anwärter. Er verlangt aber, dass Ankara im Gegenzug endlich aufhören müsse, territoriale Forderungen in der Ägäis zu stellen und sich als regionale Grossmacht aufzuspielen. Ministerpräsident Simitis tue so, als ob es Fortschritte gebe. Der Regierungschef sei, so meint Karamanlis, ein “Gefangener seines eigenen Wunschdenkens”. Allerdings scheint auch der Opposition klar zu sein, dass es zur gegenwärtigen Politik einer schrittweisen Verbesserung der Beziehungen zur Türkei keine wirkliche Alternative gibt.

 

 

 

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